..., die Schneekatastrophe 1978/79. Der Courier sucht grade Zeitzeugen für einen Bericht. Mich tät nun mal interessieren wer aus unserer Runde noch Erinnerungen daran hat, oder ob die Jüngeren davon überhaupt schon mal was gehört haben. Viellleicht durch Erzählungen, was da passiert ist, und wie das war. Ich kann mich eigentlich noch ganz gut daran erinnern, obwohl ich damals erst 8 Jahre alt war. Erzählt doch mal!
Also mir wurde von meiner Mutter und von den restlichen Verwandten eine ganze Menge darüber erzählt, Mein Opa saß damals zwei Tage mit der Bahn zwischen Berlin und Prenzlau fest...
Aber zur Abwechslung mal wieder so einen Winter wäre auch ganz lustig, dann wissen die Kids von heute wenigstens mal was Schnee ist...
Also ich habe davon recht wenig gehört sag ich mal so aber mein Opa hat maßig Geschichten dazu..=) Aber die Ausmaßen an Schnee wären für einige Kids denke ich mal recht lustig^^
Tja, ich kann mich noch recht gut daran erinnern. Mein Vater arbeitet bei den Tungendorfer Baumschulen. Also auch im Winterdienst. Er leitete eine Kolonne, die das Gebiet Faldera abzudecken hatte. "Lagezentrum" und Pausenraum war unser Keller. Die Jungs sind um 6:00 Uhr morgens los, und waren um 20:00- 21:00 Uhr wieder drin. Natürlich mit Pausen, in denen die Hausgemeinschaft die Männer mit Kaffee u.s.w. versorgte. Nachbarschaft wurde wieder groß geschrieben! Meine beiden älteren Brüder verdienten sich ein schönes Taschengeld beim Schneeschieben dazu, weil ja Schulfrei war! Und Bumi durfte auch helfen! Ich durfte bei einem Kollegen meines Vaters im Schneepflug (stolz wie Oscar) mitfahren, und das Schneeschild hoch und runter machen!! Eines Morgens schüttelte sich mein Bett, und es war sehr laut auf der Straße! Der Bäcker bei uns gegenüber (Ehndorfer Str. höhe Fleischerei Hölck) wurde von einem Panzer der Bundeswehr mit Mehl u.s.w. versorgt. Für einen kleinen Jungen natürlich die Show schlecht hin. Ja, für uns Kinder war es ne tolle Zeit! Auch waren die Menschen viel netter als sonst, fand ich.
Starker Schneefall am späten Nachmittag in Neumünster! In Flensburg/ Schleswig ist der Regen schon am Mittag in Schnee übergegangen. Der Wind nimmt immer mehr zu. 10-11 Windstärken. In Böhen 12!! Die Tempraturen stürzen am Nachmittag von ca. 10 Grad auf unter 0!! Der anfängliche Eisregen nimmt die Überlandleitungen der Stromversorgung schwer mit! Masten knicken wie Streichhölzer um. Im Norden Schleswig-Holsteins gehen in über 50 Gemeinden die Lichter aus. In Neumünster schneit es nur, und der Wind treibt den Schnee durch die Straßen. Genau das richtige Wetter, um es sich im Wohnzimmer gemütlich zu machen. Vater legt die Füße hoch. Im Frühjahr haben wir eine Zentralheizung im Haus bekommen. Keine Kohlen mehr schleppen! Er genießt es sichtlich! Heute geht es früher ins Bett. Mit dem Schnee ist sein Urlaub zu ende! Im Winterdienst geht es morgens früh raus! Gegen 22:00 Uhr geht er nochmal vor die Tür. Schon jetzt ca. 10 cm Neuschnee. Als ich an diesem Abend von meiner Mutter vom Fenster weg, ins Bett geschickt werde, wackelt die Straßenlaterne auf der anderen Straßenseite immer noch fleißig im Wind, und der Schnee kräuselt sich in ihrem Lichtkegel! Die Spuren, die die wenigen Autos auf der Straße hinterlassen, sind nach 5min. nicht mehr zu sehen! 28.12.1978
Motordröhnen weckt mich auf. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich, wie unser Nachbar versucht mir seinem PKW vom Parkplatz runter zu kommen. Den Gehweg hat er noch geschafft, blieb dann aber am Schneewall hängen, den die Schneepflüge vom Bauhof am Straßenrand aufgetürmt haben. Zwei Nachbarn von gegenüber, schieben den Wagen kurzerhand im Schneetreiben mit auf die Straße. Bis jetzt ist es ein ganz normaler Wintereinbruch. Gut, ein wenig mehr Schnee als sonst, für uns Kinder kann es aber natürlich nicht genug schneien! In der Küche läuft das Radio, Mutter kocht Kaffee und Tee. Ich meine, es war Carlo von Tiedemann, der auf NDR 2 was von Stromausfall, Schneechaos, und vom ersten Katatstrophenalarm im Kreis Schleswig- Flensburg erzählt. Meine Mutter erwartet die Männer der Schneekolonne gegen 10:00 Uhr zurück. Ein Erfahrungswert, denn seit ich mich erinnern kann, ist der Treffpunkt für den Winterdienst der Tungendorfer Baumschulen im Bereich Faldera unser Keller. Aber die Männer kommen nicht! Erst gegen Mittag kommen sie zurück, und können sich erstmal ein Heißgetränk gönnen. Viel mehr Schnee als sonst, und durch die ersten Stunden Schneefall sehr schwer, da naß! Normal können sie gleich wieder los, mein Vater entscheidet aber anders. Am späten Nachmittag soll es wieder losgehen. Wir Kinder fahren zu dem Zeitpunkt Schlitten neben dem Edekamarkt Bumann in der Ehndorfer Str. (weder verwandt noch verschwägert, heute der Schleckermarkt neben Penny). Dort geht die Zufahrt zu den Garagen hinunter in den Grund. (Eine geile Piste!) Als ich nach Hause komme ist Vater wieder im Einsatz. Er wird erst gegen 20:00 Uhr Feierabend haben. Und auch andere gehen in den Einsatz. Für die Bundeswehr wird "Sturmvogel 2" ausgelöst. In den Kasernen in Neumünster und Boostedt werden Fahrzeuge und Panzer klargemacht! 29.12.1978
Schnee und Wind. Wind und Schnee. Mäßiger bis leichter Dauerschneefall. Immernoch! Der Wind ist das Problem! In der Mitte von S-H. geht das Leben zwar langsamer vor sich, aber es kommt nicht zum Stillstand. Im Osten macht der Sturm aber so langsam Beute. Der Schnee türmt sich immer weiter auf, bis auch die östlichen Landesteile Katatstrohpenalarm auslösen. Zwischen Wasbek und Neumünster kann mein Bruder sein Fahrrad fast nur schieben. Er kommt von seiner Freundin, und war schon ein Tag länger dort als geplant. Im Stadtgebiet geht es dann besser. Im Norden von S-H. wird es immer schlimmer. Der Sturm erreicht seinen Höhepunkt. 66 Dörfer sind ohne Strom. Die eigentliche Katastrophe: Das Vieh in den Ställen leidet! Kühe können nicht gemolken werden. Klar, viele Altbauern können das Handwerk noch, aber bei teilweise 100 Tieren pro Hof, braucht man gar nicht erst anfangen. Und die Kühe brüllen vor Schmerzen!! Auf kleineren Höfen verursacht das Handmelken schmerzhafte Euterentzündungen! Die Tiere kennen es nicht mehr! Schweine sterben reihenweise an Erkältung! Die Kälte ist zuviel für sie. In Neumünster ist der Winterdienst wieder den ganzen Tag unterwegs. Und so langsam geht den Männern die Puste aus! Im Mittel liegen 50 cm Schnee, und der Wind weht die Wege immer wieder zu. Auch das neue Mulicar für die großen Gehwege fährt sich immer öfter fest. Am späten Nachmittag gibt der Chef meinem Vater grünes Licht für mehr Personal! Im Verwandten/ Bekanntenkreis wird herumgefragt wer helfen möchte. Meist sind es Handwerker, die das Angebot dankend annehmen, um sich das schmale Schlechtwettergeld aufzubessern. Auch meine beiden größeren Brüder helfen aus, und bessern sich ihr Taschengeld auf!! 30.12.1978
Durch Zufall telefonierte ich gestern mit meiner Oma aus Rostock..Wir haben nach langem mal wieder gesprochen und kamen dann auf das Thema "Fernseh-Programm von gestern". Ich habe auf Premiere eine Dokumentation über die Katastrophe geguckt und was schaute sie ..? Auch die Doku So kamen wir dann ins Gespräch..Du Oma ? ja ? Was hast du eigentlich vor 30 Jahren gemacht ? Oma: "Oh ja, dass weiss ich noch ganz genau!" "Ich war mit deiner Tante Nicole im 8 Monat schwanger" Ich: "Ohh, dann warst du ja echt ziemlich am Ar***" Ja kann man so sagen wir hier im Osten hatten auch tierischen Schnee und haben noch in Evershagen gewohnt..Ich war mit Opa in der Küche beim Mittag kochen, als wir gehört haben dass eine Schneekatastrophe so langsam herran kommt. Opa versuchte so schnell wie möglich etwas herraus zu finden, wenn irgendwas sein sollte wegen Nicole und mir.. Was kam denn dabei herraus ? "Ja, Opa hatte was erreicht aber wir wussten nicht, dass Tage später schon ganz Rostock eingeschneit war..Geschweige denn ganz Deutschland..Evershagener Kreuzung dicht geschneit..Warnemünder Hafen dicht geschneit..U-Bahn, S-Bahn, Busse, Taxen..nichts lief mehr..Was hättest du denn gemacht, wenn die Venen oder so eingesetzt hätten ? Ja, ich hatte das Glück, dass mir nichts passiert ist aber bei uns im Haus (sie wohnte in einem 4 Stöckigen Wohnhaus) dort lebte auch eine Frau die schwanger war..Aber "leider" im 9.Monat ! Meiner Meinung nach war es der 5.Januar, als sie ins Krankenhaus musste wegen dem Geburtstermin des Kindes. Ich: "Aber wie kam sie denn dort hin bei -25 Grad C ?" Wir wohnten 3 Straßen entfernt von der alten Uni-Klinik in Rostock und riefen den Notruf. Opa lief mit dem Mann der Frau nach unten um der Frau zu helfen bis die Rettungskräfte mühsälig versuchten die Frau kurzzeitig nach draussen zu holen um sie so in den in der luftwartenden Hubschrauber zu frachten. Oh Man Oma, du musst mir unbedingt mehr erzählen..Ja, wenn du das nächste mal bei uns bist bestimmt..So ein Mist, jetzt muss ich wohl doch den weiten Weg mit dem Zug nach Rostock wagen um die Geschichte weiter zu erfahren..Ich hasse Zug fahren.
Ich hoffe ihr habt nun einen kleinen Einblick, was damals so im "osten" los war. Gruß, Patrick
In der Nacht macht sich eine Bundeswehrkolonne aus Neumünster mit 20 Panzern und LKW in Richtung Schleswig auf den Weg. Sie werden 10Std. unterwegs sein. Aber nicht nur Fahrzeuge haben es schwer durch zu kommen! Auch Nachrichten zwischen den Helfern bleiben auf der Strecke. Die Bundeswehr und die zivilen Kräfte funken auf unterschiedlichen Frequenzen. Als unentbehrliche Hilfe erweisen sich hier die Amateurfunker! Die Hobbyfunker sitzen tagelang vor ihren Geräten und fungieren als Vermittlungsstelle zwischen den Einheiten! In Neumünster wird die Nachbarschaft wiederentdeckt! Bei den älteren Nachbarn werden Einkauflisten abgeholt, und die Schlitten der Kinder zu Einkaufswagen! Auch heute sind mein Vater, und seine Kollegen wieder unterwegs, um die Wege zu den Häusernfreizuhalten! Am Vormittag darf ich im Multicar mitfahren. Ich darf sogar das Schneeschild hoch und runter machen! Für einen 7-jährigen das ganz große Kino!! Am Kiosk Ecke Ehndorfer/Augustenburger legen wir ein Stop ein. Der Besitzer gibt eine Runde Zigaretten für die Kolonne aus:" 5 min Pause, meine Herren!!" Das erste und einzige Mal, das ich meinen alten Herren hab rauchen sehen! Später erzählt mein Vater von einer älteren Dame, die schon immer im Wernershagener Weg auf die Männer wartete, um diese mit Hochprozentigen bei Laune zu halten! Sehr schön war an diesem Silvestertag das Rummelpottlaufen am Abend. Wir Kinder drehten nur eine kleine Runde durch die unmittelbare Nachbarschaft, wurden aber gut bedacht! Für den Jahreswechsel war es draußen sehr ruhig. 31.12.1978